===== Die 3. Generation der Gabbers =====
Wir schreiben das Jahr 1997: Das Strassenbild wird dominiert von kahlgeschorenen Jungen und Mädchen in Trainingsanzügen und Sportschuhen. Sie sind zwischen 14 und 25 Jahre alt und aus ihren Zimmern dröhnt laute Housemusik. Sie nennen sich selbst Gabbers. Jede Woche finden Raves statt, mit dubiosen Namen wie "Hellraiser" und "Thunderdome". In den "Jaarbeurshallen" kommen so um die 30.000 Leute zusammen um zu "Hakken". Aus der Subkultur Gabber ist ein Massenphänomen geworden. "Auf dem Höhepunkt der Gabberzeit, liefen in den Niederlanden so um die 350.000 Gabbers rum" illustriert Irfan van Ewijk von der Party-Organisation und Musikrausgeber ID&T. "Weltweit verkauften wir vier Millionen Thunderdome CDs." Aber plötzlich ist alles vorbei. Es sieht nach einem kurzzeitigem Hype aus und Gabber scheint einen frühzeitigen Tod zu sterben. Eugenio Dorwart und Matthijs Hazeleger, besser bekannt als "Bass D & King Matthew" kennen den Ausverkauf von Hardcore an den Kommerz: Das vollpumpen mit Compilations, schlappe Imitationen wie "Hakkuhbar" und den Happy Hardcore a la "Party Animals" "Zu Beginn denkt man, dass dies alles gut sei für die Szene, aber als die Persilflage immer größere Ausmaße annahm, wurde sie lächerlich gemacht", so Dorwart. "Ich brachte in der Zeit so um die vier Platten die Woche raus" sagt Mark Vos, der seit fast 10 Jahren unter dem Namen Buzz Fuzz auflegt und produziert. "Mit Gizmo habe ich mal 8 Platten in 2 Tagen produziert und sie wurden auch alle auf einmal verkauft. Wenn ich jetzt die Platten höre, finde ich einige gut und andere wieder nicht." Schlechte Qualiät, Persilflages, Happy Hardcore. Was passierte - das Publikum wurde Anfang 1998 sehr kritisch und schlechte Platten blieben in den Regalen. Produzenten und Trendsetter entdeckten Trance und Clubsound für sich. Auch Hardcore-House Protagonist ID&T merkte, dass Hardcore nicht mehr beim Publikum ankam. Van Ewijk: "Wir bekommen einen "Gabberstempel" aufgedrückt, aber wir sind ein großes Unternehmen und machen allein das, was der Markt will - Und das ist Trance. Wir haben Hardcore das gelassen, was es ist. Gabber, eine absolut ausgemolkene Szene und Gabbers, die eine Karikatur von sich selbst geworden sind. Dazwischen bleibt ein harter Kern Hardcore Liebhaber sitzen. Menschen wie Paul Elstak, Neophyte, Buzz Fuzz und Masochist tun ihr bestes, um Hardcore neues Leben einzuhauchen. Eugenio Dorwart weiß noch sehr gut, wie es war. "1998 war ein Scheiss Jahr. Und auch 1999 bekamen wir die ersten beiden Masters of Hardcore Partys nicht voll". Freund und Kollege Hazeleger fügt hinzu: "Ich war wirklich am zweifeln, ob wir eine kurze Bahn als DJs und Producer gemacht haben. Aber wir haben es gewagt, weil wir das weiter machen wollten, was uns am meisten Spass macht."
Aber nun in 2001 hat Hardcore-House ein Comeback. "Verglichen mit 1997 ist noch alles ziemlich klein", sagt Kees Klomp, Trendwatcher in der Dance Szene. "Die Gabbers von damals, wollten sich durch die Musik von anderen absetzen, wie ein Punk eigentlich. Der grosse Unterschied ist aber, dass Housemusik innerhalb von drei Jahren überall gegenwärtig ist. Aber mit einer anderen Sorte Publikum. Weil Hardcore Produzenten nun mit anderen Styles experimintieren, wird die Musik zugänglich für alle Lagen der Bevölkerungsschicht. Diskothekenbesitzer merken das auch: Es werden im Moment wieder mehr Hardcore-Partys organisiert, aber immer noch nicht so viele wie früher. "Die Mitläufer sind zum Glück fast alle weg", sagt Hazeleger. "Jeder trägt nun die Kleidung, die er oder sie will. Es sind mehr Frauen auf den Partys und die Stimmung ist anders als früher." Mädchen gehörten früher fast nur dazu, wenn ihre Seiten kahlgeschoren waren. "Der Stereotyp ist verschwunden," fasst Buzz Fuzz es zusammen. Als Hardcore 1998 in einem Tief sass, war es eine grosse Motivation, dass die Nachfrage im Ausland stets grösser wurde. Die Niederlande werden als Erfinder des Hardcore gesehen, so wie Detroit und Chicago es für Techno sind. Vorallem in Italien, Spanien und der Schweiz ist die Hardcore Szene in den letzten Jahren stark gewachsen. Hazeleger: "Im Moment legen wir viel in Mailand und Barcelona und anderen Discos - vor 20.000 Italiener oder Spanier - auf. Italiener kommen mit Pendelbussen zu unseren Partys in Zandaam, wir veranstalten MOH Partys im Ausland und im spanischen TV wird unsere Compilation beworben." Buzz Fuzz merkt auch viel von der Hysterie in Italien und Spanien. "DJ's werden wie Filmstars behandelt. Unter bewaffnetem Polizeischutz zur Toilette und ähnliche Sachen. Selbst in Amerika laufen die Leute auf Partys mit Feyenoord Trikots und holländischen Flaggen rum. Sie haben das auf Videokassetten von "Thunderdome" und "Mysteryland" gesehen und denken, dass sich das so gehört. Sie tanzen auch ziemlich komisch mit raren Gesichtern, wie vor ein paar Jahren hier, als noch jeder auf Speed war - aber da gebrauchen sie es kaum. Sie denken wirklich, dass man beim Tanzen so aussehen muss.
In den Niederlanden sind momentan wöchentlich um die zwei oder drei Hardcore-Partys. Nicht mehr vor 10.000 Menschen. Die grösste MOH in Zandaam, zählt so um die 5.000 Besucher. "5.000 Besucher sind momentan das Höchste, was man erreichen kann", sagt Hazeleger. "Wir verkaufen im Moment um die 4 bis 5.000 CDs, wobei es in den Hype-Zeiten 10 mal höher war. "Third Movement", was für die dritte Bewegung in der Hardcore Szene steht. (der Beginn 1991, dann der Hype 1997 und der vor zwei Jahren gestartete Comeback ist der Dritte). Es stehen da wirklich nur noch Menschen, die für die Musik hingehen. Sebastian Hoff (DJ Promo) sieht von seinen Plattenspielern aus, viele bekannte Gesichter. "Die alte Garde, die auf einmal zu Trance-Partys gegangen ist, kommt wieder zurück zu dem ursprünglichem Sound von House: Einem keilharten Bass." Aber es steht noch eine andere Generation in den Startlöchern: Hoff: "Das sind Jungen und Mädchen, die jahrelang die Thunderdomes der älteren Brüder und Schwestern angehört haben" S.Hoff merkt, dass ID&T sich langsam wieder um Hardcore bemüht - Vor kurzem kam ein neues Thunderdome Album raus. Juni 2001 - Die Hemkade in Zaandam. Vollgestopft mit 5.000 "New Gabbers". Überall fallen Kondenstropfen von der Decke. Die Musik ist hart und schnell. Es sieht aber alles ein wenig minder agressiver aus, als vor ein paar Jahren. Die kahlen Köpfe und Australians sind verschwunden. Dafür sieht man Lonsdale Shirts, Boots und umgeschlagene Jeans, das Skinhead Outfit. Wouter (21) sagt: "Der Trainingsanzug war nicht mehr zeitgemäß, jeder lief darin rum - da musste was neues her. Natürlich etwas, was nicht jeder trägt. Es musste was undergroundiges sein - in diesem Falle die SKA Klamotten." Die Mädchen haben nun ihre schönsten Sachen an, die Jungenköpfe blinken vor Geilheit. Andauernd kauende und schmale Gesichter sind nicht mehr das allgemeine Bild. "Drogen sind nicht mehr das Wichtigste", sagt Besucher Brian aus Harderwijk. "Vorallem nicht für die alte Garde. Als ich noch zur Schule ging, feierte ich mit meinen Freunden das ganze Wochenende durch. Selbst duch die Woche gebrauchte ich Drogen. Ich habe Freunde gesehen, die dadurch den Bach runter gegangen sind. Wir gehen nur noch einmal im Monat anstatt jedes Wochenende zu Partys. Wir haben alle ein normales Leben, ein Auto und eine feste Freundin. Das verpeste ich mir nicht mit diesem chemischen Rotzkram. Das haben wir auch nicht mehr nötig. Die Musik ist das Wichtigste." Der neue Gabber ist normaler - Hier und da wird noch geschnupft und geschluckt, aber nicht mehr in so einem grossen Ausmaß. Am Rand der Tanzfläche steht Brian mit einer Dose "7up" und sagt: "Für uns ist Hardcore noch nie tot gewesen." |